Warum ein 19-jähriger US-Amerikaner Ganderkesee lieben gelernt hat

von Bettina Dogs-Prößler

Ganderkesee. Seit August 2018 ist Michael Dyer Schüler der elften Klasse am Gymnasium Ganderkesee.

Dabei müsste er hier gar nicht mehr sitzen, seinen Highschool-Abschluss hat er schon vor einem Jahr in den USA gemacht.  Houston, Texas: 2,3 Millionen Einwohner, viertgrößte Stadt der USA. „Ich habe sie nie gemocht“, sagt Michael Dyer. Der Lärm, die vielen Menschen, die überfüllten Straßen – „Houston ist so heiß, so groß und so gefährlich, ich wollte immer woanders hin“, schildert der 19-jährige Texaner. Ganderkesee, Landkreis Oldenburg: rund 30.000 Einwohner, größte Gemeinde des Kreises. „Ich mag die Ruhe hier und dass man mit dem Fahrrad fahren kann“, sagt der hochgewachsene Schüler, der eigentlich keiner mehr ist, während er im Flur des Ganderkeseer Gymnasiums sitzt. „Und dass niemand bei Rot über die Ampel geht.“

Deutsche Sprache lernen

Seit August 2018 ist Michael Dyer Schüler der elften Klasse am Gymnasium. Während sich die deutschen Mitschüler durch Mathe, Physik und Latein quälen, zählt für den jungen US-Amerikaner vor allem eines: Die deutsche Sprache in all ihren Facetten kennenlernen. „Mich interessiert die deutsche Sprache und mich interessiert auch die Grammatik“, sagt er. So sehr, dass er in seiner Freizeit zu Büchern greift, die wohl kaum einer in seinem Alter lesen würde. Der 1891 erschienenen Brandrede „Allerhand Sprachdummheiten“ des Sprachkritikers Gustav Wustmann etwa, der in dem Bestseller leidenschaftlich für einen bewussten Umgang mit der deutschen Sprache wirbt.

Neue Heimat Deutschland?

Denn Michael Dyer will bleiben. Das Jahr in Ganderkesee, das er 2016 zum ersten Mal während eines Schüleraustausches kennengelernt hatte, sollte vor allem zum Verfeinern der Sprachkenntnisse dienen, ab Oktober will der 19-Jährige mithilfe des Programms „Studienbrücke“ des Goethe-Instituts an einer deutschen Uni Wirtschaftsinformatik studieren. Beworben hat er sich an den Technischen Universitäten Siegen, Dortmund und München, am liebsten aber würde er nach Bayern gehen. „Die deutschen Unis haben bei uns einen sehr guten Ruf. Deutschland ist bekannt dafür, dass man hier eine gute Ausbildung genießen kann.“ Die Hochschule in München habe dazu ein vergleichbares Ansehen wie in den USA Yale, Harvard oder Stanford. Mit einem ganz entscheidendem Vorteil: Die Studiengebühren von unter 150 Euro pro Semester sind im Vergleich zu den Kosten, die an renommierten amerikanischen Hochschulen verlangt werden, kaum der Rede wert. Michael Dyer: „Je nachdem, an welcher Einrichtung man studiert, muss man in den USA zwischen 40.000 und 80.000 Euro im Jahr für sein Studium zahlen.“

Alles ist so ordentlich

Das Klima, die strenge Einhaltung der Regeln, das manchmal kühle Naturell der Deutschen – seit er 2016 für drei Wochen in der ländlich geprägten Gantergemeinde war, ist Michael Dyer von Deutschland fasziniert. „Hier ist alles so ordentlich“, sagt er. Außerdem seien die Deutschen viel ruhiger und privater. „Die Amerikaner sind aufgeschlossener. Ich finde es aber gut, dass ich nicht immer sofort mit Fremden sprechen muss.“

Staatsbürger werden 

In Deutschland hat Michael Dyer offenbar seine wirkliche Heimat gefunden. Dazu Freunde und eine Gastfamilie, die den jungen Mann beim Start in ein neues Leben voll unterstützt. Denn das Studium soll nicht das letzte Projekt sein, das Michael Dyer in Deutschland verwirklichen will. Etwas anderes steht für den 19-jährigen Texaner ebenfalls schon fest: „Ich strebe die deutsche Staatsbürgerschaft an.“

Quelle: Delmenhorster Kreisblatt (28.06.2019)